Besuch der «Pilgrim»-Brauerei: eine Pilgerfahrt für die Sinne
Hintergrund

Besuch der «Pilgrim»-Brauerei: eine Pilgerfahrt für die Sinne

In einem malerischen Benediktinerkloster im thurgauischen Fischingen werden ganz besondere Biere gebraut, die nichts mit Stammtisch-Lager unserer Urahnen gemein haben. Wir besuchten den Geburtsort des «Pilgrim»-Gerstensaftes und wurden dort nicht nur geschmacklich, sondern auch geistig verwöhnt.

Das prunkvolle Benediktinerkloster Fischingen wurde 1138 vom Konstanzer Bischof Ulrich II. als Pilgerstation gegründet. Es liegt am weltberühmten Jakobsweg – 2300 Kilometer von Santiago de Compostela in Spanien entfernt. So weit mussten wir glücklicherweise nicht pilgern, um in den Genuss des «Pilgrim»-Bieres zu kommen, das seinen Namen aufgrund seiner prominenten Lage trägt. Dennoch war die Pilgerfahrt nach Fischingen für alle abenteuerlich: Die beiden Autoren wurden von ihren Auto-Navis durch das unendlich scheinende 30er-Zonen-Labyrinth der Stadt Zürich sowie über Wald- und Wiesenwege gelotst. Unser Fotograf Christian hat es aufgrund eines Zugausfalls nur knapp an den Pilgerort geschafft. Das Auto des Gastgebers und «Pilgrim»-Gründers Martin Wartmann weigerte sich, abzufahren: «Schlüssel nicht erkannt». Mit leichter Verspätung und dem Zweitschlüssel funktionierte es doch noch.

Eindrucksvoll thront das Kloster Fischingen über dem Dorf.
Eindrucksvoll thront das Kloster Fischingen über dem Dorf.
Quelle: Christian Walker

Die Strapazen haben sich gelohnt: Das barocke Kloster Fischingen liegt in einer bezaubernden Landschaft, umgeben von tiefgrünen, bewaldeten Hügeln. Die spärlichen Wolken am Himmel weichen endgültig der Sonne. Frühlingshafte Temperaturen lassen vergessen, dass es noch mitten im Winter ist. Wir stärken uns mit einem mild-fruchtigen, bernsteinfarbenen «Pilgrim Kloster Amber» und werden von einem sympathischen Gastgeber empfangen: Selbst der 76-jährige Martin Wartmann scheint frühlingshaft verjüngt – er sprüht vor Energie, Charme, Wissen und spannenden Geschichten.

So golden wie die Frühlingssonne: das «Pilgrim Kloster Amber».
So golden wie die Frühlingssonne: das «Pilgrim Kloster Amber».
Quelle: Christian Walker

Finde Deine Nische

Martin Wartmann ist das Herz und die Seele von «Pilgrim». Er lebt das Bierbrauen. Als Buchhalter startete er in jungen Jahren bei der aargauischen Brauerei Müller. Schon bald merkten er und seine Vorgesetzten, dass ihn die Erbsenzählerei nicht auslastete; also warum nicht das Brauhandwerk von der Pike auf lernen? Hier verdiente er sich seine Sporen, musste bei Dr. Müller minutiös über Arbeitsschritte und Material Buch führen … bis hin zu den Borsten von Bürsten.

Martin Wartmann hat auch mit 76 Jahren noch das Brauvirus.
Martin Wartmann hat auch mit 76 Jahren noch das Brauvirus.
Quelle: Christian Walker

Nach der Ausbildung zum Braumeister an der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei der Technischen Universität Berlin durfte er sein Wissen schon bald in der Actienbrauerei Frauenfeld vertiefen. Raus aus dem Kartellbier «Lager hell» und andere Biere brauen, war immer seine Vision. Nebst «Weizentrumpf», dem ersten Schweizer Hefeweissbier, entwickelte er für die nahe Kartause Ittingen das «Klosterbräu», das erste echte Schweizer Craft-Bier. Denn eines wusste Martin Wartmann schon als Jungspund: Mit Standard-Lager war für Kleinbrauer in der Schweiz Hopfen und Malz verloren. Er musste seine Nische finden. Das Schweizer Bierkartell liess allerdings sehr wenig Spielraum für Kleinbrauer.

«Der Pate» lässt grüssen

Die damaligen Brauereikolosse Hürlimann, Feldschlösschen und Cardinal sowie weitere Mitglieder des Schweizerischen Bierbrauervereins bestimmten von 1935 bis 1991 den Schweizer Biermarkt: Verkaufsgebiete und Kunden wurden zugeteilt, Preise definiert, Werbeformen sowie Etiketten vorgeschrieben … und aus Sicht jedes Bierliebhabers der wohl grösste Frevel: Biersorten und -qualität waren strengstens festgelegt. Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser; Lager hell, Lager dunkel, Spezialbier und Festbier – mehr war nicht erlaubt … Erinnerungen an «Der Pate» werden wach.

Martin Wartmann umschiffte diesen Kartell-Eisberg elegant. Inspiriert von den belgischen Trappisten Mönchen erfand er 1982 mit dem «Ittinger Klosterbräu» einen neuen Bierstil, das erste Schweizer Amber, das im Kartellsortiment nicht vorkam. 5,6 Volumenprozent, mehrere, teils intensiv geröstete Malzsorten und aromatischer Hopfen prägten den Geschmack. Trotz der schlechten Prognosen der grossen Kartellbrauer entwickelte sich diese Nische so erfreulich, dass der Biergigant Heineken auf das geschmackvolle «Ittinger Klosterbräu» aufmerksam wurde und es in sein Angebot integrierte. Später verkaufte Wartmann die Marke und das Rezept an Heineken. Er tobte sich auf neuen Spielwiesen im Brauhaus Sternen in Frauenfeld aus, wo er mit dem «Wartmann's No. 1» das erste High-End-Bier der Schweiz braute.

Das Sudhaus der «Pilgrim»-Brauerei.
Das Sudhaus der «Pilgrim»-Brauerei.
Quelle: Christian Walker

Diese revolutionäre Einstellung behält Martin Wartmann bis heute bei. Er besucht regelmässig Craft-Bier-Kongresse in den USA, wo er auch den legendären Samuel-Adams-Mastermind Jim Koch von der Boston Beer Company kennengelernt hat. Dessen Motto: «Braue Dein Bier nicht für Dich, sondern zaubere Biere für Deine Freunde». Dieses Credo – Biere für Freunde – hat Martin Wartmann inspiriert und nicht losgelassen: Statt sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen, hat er 2014 zusammen mit zwei weiteren Investoren die «Pilgrim»-Brauerei im Kloster Fischingen ins Leben gerufen.

So kommt der Geschmack ins Bier

Im Kloster Fischingen kann Martin Wartmann seine Vision verwirklichen: «High-End- und Gourmetbiere nach alten, überlieferten Rezepten mit dem Wissen und der Technik von heute brauen». Noch immer tüftelt er an neuen Rezepten. Die Grundzutaten sind wie bei jedem Bier dieselben: Wasser, Malz, Hopfen und Hefen. Dazu ein paar geheimnisvolle Gewürze und Früchte aus der belgischen Brautradition.

Am Computer werden die «Pilgrim»-Rezepte ausgetüftelt.
Am Computer werden die «Pilgrim»-Rezepte ausgetüftelt.
Quelle: Christian Walker

Das Wasser stammt aus der klostereigenen Quelle, wird allerdings für die Bierherstellung enthärtet. Weiches Wasser gibt feinere Biere. Zudem hat das Klosterwasser etwas zu
viel Magnesium. Das ist zwar gesund, allerdings reagieren empfindliche Menschen gelegentlich allergisch darauf.

Beim Malz macht Martin Wartmann keine Kompromisse: Ein Brauer müsse das Mälzer-Handwerk verstehen; es sei der gleiche Beruf. Malz ist gekeimtes Getreide. Es verleiht dem Bier nicht nur seinen Basis-Charakter, es ermöglicht erst das Gären – wird doch der Zucker aus der Malzstärke in Alkohol verwandelt. Für Martin Wartmann ist Schweizer Malz ein Marketing-Gag und hat wenig mit Qualität zu tun. Er importiert die für den jeweiligen
Bierstil passenden Malze lieber aus allen grossen Malzanbaugebieten und erreicht so das gewünschte Geschmacksprofil. Ein Dutzend Malze stehen dem Braumeister zur Verfügung. Wir durften unterschiedliche Malze anfassen, riechen und kosten. Helle schmecken wunderbar mild-süss, die gerösteten, dunklen haben eine süss-bittere, leicht rauchige Note. Sie erinnern an Kaffeebohnen.

Hopfen und Malz, Gott erhalt’s.
Hopfen und Malz, Gott erhalt’s.
Quelle: Christian Walker

Der Hopfen sorgt für die Bitterkeit im Bier und gibt ihm Würze. Auch hier sucht Martin Wartmann weltweit die optimalen Sorten für den jeweiligen Bierstil. In ein englisches Ale gehöre zum Beispiel zwingend Fuggles-Hopfen, während Cascade-Hopfen einem amerikanischen IPA seinen zitronigen Geschmack verleihe. Ein guter Brauer muss wie ein Spitzenkoch seine Zutaten und ihre Wirkung genau kennen.

Verfeinert werden die «Pilgrim»-Biere je nach Stil mit Waldkräutern und Gewürzen. So stecke etwa in seiner besseren Variante des hellen Lagerbiers – im warm vergorenen «Pilgrim Blond Ale» – ein spezielles Gewürz, verrät Martin Wartmann augenzwinkernd: Nur ganz wenig, aber es bewirke viel. Das habe sogar ein befreundeter bayerischer Braumeister zugegeben. Und das will etwas heissen: Denn in Bayern wird das Reinheitsgebot hochgehalten. Gewürze haben dort im Bier nichts zu suchen.

Und der Haifisch …

Vergoren wird «Pilgrim» in offenen oder geschlossenen Tanks. Die Offengärung ist bei hochprozentigen Edel-Bieren ein absolutes Muss. Hier dürfen sich auch mehrere Hefestämme am Malzzucker laben und ihn in Alkohol umwandeln. Für Martin Wartmann sind die Hefen essenziell, darin stecke das wahre Braugeheimnis: Hefen prägen den Geschmack massgeblich. Deshalb pflegt «Pilgrim» seine Hefen, schöpft sie ab, wäscht sie und verwendet sie wieder.

Die offene Vergärung holt noch mehr Aromen heraus.
Die offene Vergärung holt noch mehr Aromen heraus.
Quelle: Christian Walker

Bei der offenen Vergärung kommen bis zu drei unterschiedliche Hefen zum Einsatz: Die erste sorgt für viel Geschmack und produziert einen niedrigeren Alkoholgehalt. Die zweite treibt den Alkohol in die Höhe und verfeinert das Bier mit weiteren Aromen. Die dritte lässt die Volumenprozente weiter nach oben schnellen, tut aber wenig für den Gaumen: Sie wird von Martin Wartmann liebevoll «Haifisch» genannt – sie frisst oft auch die anderen Hefen.

Nach dem Vergären zieht das «Pilgrim» je nach Biersorte in Dosen, Flaschen oder Fässer um. Die Grand-Crus-Biere reifen im alten Klosterkeller der Mönche monatelang in Eichenfässern weiter und erhalten hier ihre weiteren Aromen. Je nach vorausgehender Fassbelegung sind das Whisky-, Tequila-, Wein- oder Calvados-Noten. Sogar Fässer, in denen früher Ahornsirup gelagert wurde, kommen zum Einsatz. Und bald soll eine Reihe Fässer geliefert werden, in denen zuerst Whiskey und danach Chilisauce reifte. Man darf gespannt sein …

Die «Pilgrim»-Biere werden von Hand abgefüllt.
Die «Pilgrim»-Biere werden von Hand abgefüllt.
Quelle: Christian Walker

Der Pilger und der Falke

Ein erfahrenes Team, sorgfältige Braukunst, abwechslungsreiche und feine Biere … eigentlich sollte es bei «Pilgrim» nur so brummen. Ganze 300 000 Flaschen muss die Brauerei verkaufen, um in die Gewinnzone zu kommen. Das hat «Pilgrim» kurz vor der Corona-Krise fast geschafft. Doch dann machten die Pandemie und der Ukraine-Krieg der Klosterbrauerei einen Strich durch die Rechnung: Die Rohstoffpreise stiegen, die Verkäufe sanken. Im Jahr 2023 wurden «nur» um die 250 000 Flaschen abgesetzt. Es resultierte ein beträchtlicher Verlust.

Dank Dosen wird «Pilgrim» preislich konkurrenzfähiger.
Dank Dosen wird «Pilgrim» preislich konkurrenzfähiger.
Quelle: Christian Walker

Doch Martin Wartmann gibt nicht auf, er glaubt an seine Biervision. Mit der rationelleren Abfüllung von «Pilgrims» Einsteigerbierlinie in grössere Dosen – möglich dank einer Kooperation mit der Schaffhauser Brauerei Falken – können die Produktionskosten gesenkt werden. Neu braut Falken das «Blond Ale» und das «Waldbier» und nimmt beide auch ins eigene Sortiment auf. Das «Pilgrim» in den 50-cl-Dosen ist damit preislich mit dem Gerstensaft der Grossbrauereien konkurrenzfähig. Am Geschmack werden laut Martin Wartmann keine Abstriche gemacht, obwohl mein Kollege Dani Frey und erklärter «Pilgrim»-Fan meint, das «Waldbier» schmecke nicht mehr so wie früher. Doch Martin Wartmann winkt ab: Der Grund für geschmackliche Schwankungen sei, dass die Kräuter nicht immer genau gleich wirken. Die aktuelle Charge habe wieder etwas mehr «Flavour» aus den Fichtensprossen. Wir sind gespannt. Auch das macht eine kleine Brauerei aus: Das Bier schmeckt nicht immer gleich und wird so nie langweilig.

Zen im Klosterkeller

Dass «Pilgrim»-Biere alles andere als langweilig sind, durften wir im altehrwürdigen Bierkeller herausfinden. Dort riecht es nach Malz, Holzfässern und nassem Stein. Und dort verwöhnte uns Martin Wartmann mit einem Tasting. Auf dem Plan standen nebst dem «Blond Ale» Bierperlen wie das Abteibier «Triple Blonde» und fassgereifte Schätze wie das «Jahrgangsbier», die «Limited Edition No. 6 Ahornsirup» und die «Limited Edition No. 5 Calvados». Martin Wartmann belehrt uns: Bei einem Biertasting mit diesen edlen Bieren müsse man zuerst etwas üben und den Gaumen mit einem leichten Bier wie dem «Blond Ale» vorbereiten. Erst danach könnten die schwereren Kaliber verkostet werden.

In diesem Keller entstehen die Edel-Biere von «Pilgrim».
In diesem Keller entstehen die Edel-Biere von «Pilgrim».
Quelle: Christian Walker

Martin Wartmann macht regelmässig Zen-Meditationen. Das sei die «Direttissima zu sich selbst», erklärt er. Es gehe darum, die Gedanken nicht festzuhalten, sondern vorbeiziehen zu lassen und nicht zu werten. Meditation empfiehlt sich ebenfalls beim «Pilgrim»-Tasting: Betrachte die Farbe des Bieres, rieche daran, lass es langsam über Zunge und Gaumen rollen, nimm die Geschmacksnoten wahr – ohne zu werten. So erlebst Du die wahre Vielfalt von Bier und merkst, dass der goldige Gerstensaft nicht einfach langweiliges Lager ist … eine Tür öffnet sich in eine riesige, weite Geschmackswelt. «Pilgrim» eignet sich mit seinen vielen unterschiedlichen Bierstilen ausgezeichnet, um diese Welt und deine Lieblingssorte zu entdecken.

Was Martin Wartmann auf seinen kürzlichen US-Reisen an neuen Biertrends kennengelernt habe, fragen wir ihn zum Schluss. Dort würden momentan Fruchtbiere durch die Decke schiessen. Auch die stünden bei «Pilgrim» in der Pipeline. Für Bierfreunde und solche, die es werden wollen, war es in der Schweiz nie spannender.

Pilgrim Craftbier-Mix (12 x 33 cl)
Bier
46.80 CHF 11.82 CHF/1l

Pilgrim Craftbier-Mix

12 x 33 cl

Pilgrim Geschenkset Kloster Bier 4 x 0.375 l & 2 x 0.33 l (4 x 33 cl)
Bier
44.20 CHF 29.47 CHF/1l

Pilgrim Geschenkset Kloster Bier 4 x 0.375 l & 2 x 0.33 l

4 x 33 cl

Pilgrim Geschenkset Grand Cru Bier Mix 4 x 0.75 l (4 x 75 cl)
Bier
49.70 CHF 16.57 CHF/1l

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Titelbild: Christian Walker

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Der Wermutwolf
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Wermutwolf.ch ist ein junges Onlinemagazin rund um Trinkkultur – mit Fokus auf das heimische Schaffen. Der Wolf schreibt für uns in unregelmässigen Abständen über Bier, Wein und andere Lebenselixire.


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