Hintergrund

Anti-Kater-Mittel Kaex: «Das ist weltweit einzigartig»

Die Nahrungsergänzung «Kaex» hilft beim Kater, wenn du zu viel getrunken hast. Plötzlich interessieren sich Sportler für den Zaubertrank. CEO Pedro Schmidt erklärt im Interview, warum er dem Produkt trotzdem keine neue Marke verpasst hat.

Die Vorbereitung und Recherche ist mein täglich Brot. Das Nötige verknüpfe ich in diesem Fall mit dem Nützlichen und sammle mit Caro bei einem Bierchen nach der Arbeit ein paar Ideen für eine nächste Geschichte. Nicht zu lange. Ich muss früh raus. Ein Interview mit dem Gründer von «Kaex» steht an. Unser Brainstorming ist nach dem ersten Bier fix, wir gönnen uns noch ein Bier, stossen auf die «gelungene» Sitzung an. Dann ist plötzlich kurz vor Mitternacht, die Kellnerin nimmt die letzte Bestellung auf, mich holt das schlechte Gewissen ein. Jetzt habe ich mir einen ordentlichen Rausch angetrunken und muss doch morgen bei «Kaex» erscheinen. Nach einem kurzen Moment des in mich Kehrens sind die Gewissensbisse weg. «Kaex» ist ein Anti-Katermittel, meine Entgleisung deshalb perfekte Vorbereitung für das Gespräch mit Pedro Schmidt, dem Gründer und CEO von «ph.» und Erfinder von «Kaex». Die Recherche beginnt.

«Kaex Basic» kommt im Dreierpack. Drei identische Pulver. Eines vor dem Schlafengehen, zwei am nächsten Morgen, im schlimmsten Fall. Ich löse mir zuhause also den Inhalt des ersten Beutelchens vor dem Schlafengehen in drei Dezilitern Wasser auf und trinke auf ex. Der Geschmack erinnert mit seiner zitronigen Note an «Isostar». Das Getränk ist bloss dickflüssiger. Gut ist das nicht, aber wenn's nützt? Nach dem Aufstehen wiederhole ich den Prozess mit dem zweiten Beutelchen und fühle mich tatsächlich etwas fitter und weniger verkatert als sonst. Auf zu Pedro. Den dritten Beutel lass ich liegen, für Notfälle.

Pedro Schmidt im «ph.» Büro in Zürich Wiedikon
Pedro Schmidt im «ph.» Büro in Zürich Wiedikon

Start-up statt Apotheke

Pedro Schmidt hat «Kaex Basic» 2017 auf den Markt gebracht. Ich treffe ihn in neu bezogenen Büros im Zürcher Kreis 3. Er trägt ein T-Shirt und kurze Hosen statt Laborkittel oder Anzug. Ein typischer Start-up Vibe. Einzig bei der Fotosession versteckt Pedro seinen tätowierten Arm ein wenig. «Grosse Banken investieren in unsere Firma. Ich stehe zu meinen Tattoos, aber grad ins Auge springen müssen sie dann doch nicht», sagt er und lacht. Auch dann, wenn das Produkt für die Spassgesellschaft geschaffen ist und es dich bei zu viel Feiern am Morgen danach wieder auf die Beine bringen soll. Start-up heisst nicht, im Büro Spass auf einer Rutschbahn haben, sondern steht für Business. Pedro hat die Firma «ph.» vor vier Jahren gegründet, seither ist sie auf über zehn Mitarbeiter angewachsen, die meisten davon Teilzeit. Seit ein paar Wochen steht sein zweites Produkt in den Apotheken. «Kaex Dolo» ist ein Schmerzmittel, das auf Kater-Kopfschmerzen abzielt. Einen Business-Hintergrund hat der CEO von «ph.» nicht, dafür ein abgeschlossenes Pharmazie-Studium an der ETH Zürich.

Was macht eigentlich ein Pharmazeut nach der Ausbildung, wenn er nicht ein Start-up gründet?
Ein Drittel der Abgänger machen das Staatsexamen und werden Apotheker, zwei Drittel zieht es in die Pharmaindusterie in die Forschung und Entwicklung. In der Schweiz sind das meistens Krebsmedikamente. Auch ich bin nach dem Studium zu einer grossen Pharmafirma, ich war dort aber im Marketing tätig.

Danach bist du auf die Idee gekommen, ein Anti-Katermittel zu entwickeln. Ein Produkt, das ich bisher nur aus dem asiatischen Raum kenne… Wie kam es dazu?

Das war diese sprichwörtliche Glühbirne, die aufpoppt. Ich war 2011, gegen Ende meines Studiums, mit Kollegen in Köln, wo wir wie auf Studentenreisen üblich ordentlich getrunken haben. Am nächsten Morgen gingen wir mit dröhnenden Schädeln in eine dieser riesigen Drogerien, die es in Deutschland gibt. Dort gab es nichts Spezifisches gegen Kater, was mich verwunderte und in diesem Moment natürlich störte. Zurück in der Schweiz beschäftigte mich das Thema. Ich als Nerd habe mich dann hobbymässig in Studien eingelesen, was beim Kater genau geschieht. Was braucht das Hirn? Was braucht die Leber? Warum gibt es überhaupt Kater? Das eine führte zum anderen und vier Jahre später hatte ich eine Rezeptur mit Substanzen, die sinnvoll zur Einnahme nach dem Alkoholkonsum wären. Also habe ich mir eine Präzisionswaage und die nötigen Substanzen im Internet beschafft und wie Walter White in «Breaking Bad» mein Labor zuhause aufgebaut. Alles habe ich zunächst selbst getestet und dann meinen Kollegen gegeben. Dabei habe ich sie gebeten, skeptisch zu sein. Ich wusste schon damals, dass ich das Mittel auf den Markt bringen will und dafür brauchte ich ehrliche Meinungen. In so einem Produkt steckt viel Kohle drin. Die Resonanz war sehr positiv, daher habe ich 2016 meine Firma gegründet.

Du hast also einfach diese Pulver im Internet bestellt? Das gibt es ja nicht einfach so zu kaufen, also auf Galaxus zumindest nicht...
Viele Dinge gibt es mittlerweilen für den Privatgebrauch. Magnesium zum Beispiel, wobei wir eine spezielle Magnesiumform benutzen. Elektrolyte gibt es im Sport-Fachhandel. Es hat aber Dinge drin, die schwierig zu besorgen sind. Phosphatidylserin, L-Tryptophan und so weiter. Das sind alles legale Substanzen, logischerweise. Aber nach ein paar dieser Inhaltsstoffe musste ich wirklich lange suchen und habe sie schliesslich bei Fachhändlern gefunden.

Was diese Substanzen genau tun, habe ich nicht gefragt. Sie sind natürlich und helfen bei Kater… Diese Info reicht mir.

Dann hast du das alles in deinem Drogenlabor zusammengemischt und nennst das jetzt Kaex?
Nein, der Teufel liegt im Detail. 2015 hatte ich einen Prototyp beieinander, der funktionierte. 2016 habe ich die Firma gegründet. Zwischen Januar 2016 und August 2016 verbrachte ich eigentlich 100 Prozent mit Forschung. Ich habe meinen Job gekündigt und «Kaex Basic» entwickelt. Es ging darum, die Ecken und Kanten zu schleifen und «Kaex Basic» weltweit zum Patent einzureichen… Jetzt ist die Rezeptur sehr gut geschützt.

Es sind nicht alle begeistert...
Es sind nicht alle begeistert...

Bei uns auf der Seite gibt es haufenweise Kommentare zu «Kaex», darunter auch Kritik. Unsere Kunden kritisieren den Geschmack oder die Konsistenz von «Kaex Basic».
Dieses Feedback bekommen wir immer wieder. Wir haben die Rezeptur sogar schon einmal geändert, weil gewisse Schwefelverbindungen tatsächlich zu einem Eiergeschmack führten, der unangenehm war. Vielleicht hatten eure Kunden noch die alte Rezeptur. Das Produkt ist tatsächlich recht dickflüssig. Das können wir nicht ändern, weil jeder Inhaltsstoff von «Kaex Basic» seinen Nutzen hat und ideal dosiert ist. Es gibt aber einen Trick: Je kälter, umso besser geht es runter. Wir empfehlen daher, das Pulver in einem Shaker mit Eis zu schütteln. Dann ist es nicht nicht mehr so dickflüssig.

Brauchte es für das Pulver noch eine Freigabe von Pharmasuisse oder ähnlichem?
Bei «Kaex Basic» als Nahrungsergänzung war das nicht nötig, bei «Kaex Dolo» schon, weil die Wirkstoffe als Medikament gelten. «Kaex Basic» wird regelmässig von Lebensmittelkontrolleuren geprüft. In unserem Fall haben sie besonders genau hingeschaut, wohl weil wir ein junges Unternehmen sind, das ein Anti-Katermittel herstellt. Sie hatten aber nie etwas zu beanstanden. «Kaex Dolo» gilt als Arzneimittel. Das braucht eine SwissMedic-Zulassung, die wir bekommen haben. Das Produkt ist seit ein paar Wochen auf dem Markt.

«Kaex Dolo» ist eine Brausetablette gegen Schmerzen. Ich schwöre auf «Alka Seltzer», wenn es ein paar Feierabendbierchen zu viel waren.
Das ist nicht schlecht, «Kaex Dolo» ist ähnlich. Wenn man hart saufen geht, dann braucht es tatsächlich unsere Nahrungsergänzung und ein Schmerzmittel. «Kaex Basic» füllt die leeren Tanks wieder auf und rehydriert dich. Der Körper hat ganz viele kleine Tanks mit Stoffen, die nach dem Trinken oder dem Sport leer sind. Die füllt «Basic» wieder auf. Aber Alkohol ist ein Giftstoff, der Schäden an den Zellen und Entzündungssymptome verursacht. Die behandelt «Kaex Dolo». Das ist 30 Prozent potenter als «Alka Seltzer», ist aber verträglicher in Kombination mit Basic. Du kannst einiges falsch machen, wenn du mit Schmerzmitteln gegen den Kater vorgehst. Was viele zuhause haben, ist Paracetamol (Anmerkung der Redaktion: Panadol zum Beispiel). Das solltest du aber auf keinen Fall nach dem Trinken nehmen, da es die Leber angreift. Leider wissen das auch viele Ärzte nicht und warnen ihre Patienten nicht. Viele Apotheker haben sich daher auf «Kaex Dolo» gefreut, so haben sie ein Produkt zur Empfehlung für Leute, die mit einem Brummschädel in die Apotheke laufen.

Seit ein paar Jahren gibt es einen enormen Fitness-Trend. Nahrungsergänzung verbinde ich mit Muskeltypen, die Proteinshakes hinunterstürzen, als wäre es Wasser. Der Alkoholkonsum geht in der Schweiz Jahr für Jahr zurück. Jetzt kommst du und machst ein Produkt, das diesem Trend eigentlich total widerspricht.… Ist das kein Risiko?
Ja und nein. Wenn wir «Kaex Basic» anschauen, sind die Inhaltsstoffe natürlich. Die sind alle in der normalen Nahrung drin, nur haben wir sie konzentriert. Du müsstest 15 Eier essen, um dieselbe Menge Pantothensäure zu dir zu nehmen. Die Gesundheit mit natürlichen Substanzen zu fördern, liegt voll im Trend. Wir hatten zu Beginn aber tatsächlich Mühe mit Vorurteilen. «Kaex Basic» war am Anfang nur in Apotheken erhältlich. Wir wurden als Arzneimittel wahrgenommen. Das hat sich aber jetzt geändert, seit wir bei Manor, Coop und Migros erhältlich sind. Plötzlich sind Profisportler auf uns zugekommen…

Weil die Profisportler auch mal gerne saufen?
Vielleicht. Aber viel eher weil beim Sport zu einem Teil das gleiche mit dem Körper passiert, wie nach dem Trinken. Der Körper dehydriert, die Tanks sind leer. Die haben «Kaex Basic» für sich entdeckt. Der Kranz-Schwinger Stefan Studer hat bei uns nachgefragt, ob «Kaex Basic» auf der Dopingliste steht. Das kann bei Nahrungsergänzung tatsächlich der Fall sein. Koffein in hohen Mengen ist zum Beispiel auf dieser Liste. Er wollte «Kaex Basic» während des «Eidgenössischen» zwischen den Kämpfen verwenden. Wir haben das dann abgeklärt und konnten ihm sagen, dass «Kaex Basic» nicht auf der Dopingliste ist.

Warum habt ihr dann nicht eine Sportversion von «Kaex Basic» gemacht? Eine neue Marke quasi?
Das haben wir diskutiert und uns dagegen entschieden. Das Bier nach dem Sport ist doch bei Hobbysportlern gang und gäbe. Das ist die gleiche Zielgruppe. Wir bewerben «Kaex Basic» mittlerweilen aber bewusster mit Sport im Hinterkopf und positionieren es so am Markt. Wobei der Schweizer Markt eigentlich schon erobert ist…

Wie meinst du das genau?
«Kaex Basic» gibt es überall zu kaufen, wir sind schweizweit eines der Top 30 verkauften Drogerieprodukte. Das Ziel ist also erreicht. Jetzt konzentrieren wir uns in der Schweiz auf «Kaex Dolo» und wagen den Schritt über die Grenze. Die Idee, der Name und der Auftritt waren schon immer international ausgelegt. Im letzten Herbst investierte dann Pro 7 einen Millionenbetrag in unsere Firma. Das ermöglicht uns in diesem Herbst in den deutschen Markt einzutreten. Dort erwarten wir eine Explosion. Auf einen Schlag haben wir eine Verzehnfachung der Marktgrösse und wir sind dann auch direkt bereit für die EU und weitere Märkte. Die Auflagen sind nämlich in der ganzen EU die gleichen. Wir brauchen also bloss noch Vertriebspartner in weiteren Ländern.

Wo Produkte Erfolg haben, gibt es schnell Nachahmer. Manche sind sogar erfolgreicher als das Original…
Dank unseres Patents ist es schwierig, unser Produkt zu kopieren. Es gibt Nachahmer, klar. Das sind Marketinggags. Da werden Vitamin- oder Magnesiumpräparate als Katermittel verkauft. Die funktionieren aber fast nicht und verschwinden meist so schnell, wie sie gekommen sind. Die Kunden lassen sich nicht an der Nase herumführen. In der westlichen Welt sind wir das einzige Anti-Kater-mittel, das wissenschaftlich fundiert gegen den Kater nützt. Das dürfte mittelfristig so bleiben.

*Meinen Kater vom Vorabend habe ich tatsächlich überwunden. «Kaex» hat genützt. Nach dem Interview spaziere ich bei brütender Mittagshitze nach Hause und schwitze wie ein Schwein. Zum Glück habe ich noch die Notfallration «Kaex Basic» als ich völlig dehydriert zuhause ankomme… *

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Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell. 


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