«Die Vision Pro kann isolieren, aber auch verbinden»
Hintergrund

«Die Vision Pro kann isolieren, aber auch verbinden»

René Vogel reiste zum Verkaufsstart der Apple Vision Pro in die USA. Im Interview erzählt er, warum er die Brille als einer der ersten haben wollte und welche Hoffnungen er in Augmented Reality setzt.

Die Apple Vision Pro ist da. Aber nur in den USA. Bis die Augmented-Reality-Brille in der Schweiz erhältlich ist, dürfte es noch Monate dauern. So lange wollte Digitec-Galaxus-Kunde René Vogel nicht warten. Der selbstständige Business Analyst flog zum Verkaufsstart nach New York – und hielt als einer der ersten die Brille in den Händen.

Drei Tage später ist René zurück in der Schweiz. Ich treffe ihn bei sich zuhause für ein Gespräch über seine Erlebnisse und die Vision Pro – ein Gerät an den Grenzen zwischen Innovation und Sinnlosigkeit, Interaktion und Isolation, Utopie und Dystopie. Meine eigenen Eindrücke von Apples futuristischem Gadget findest du hier:

  • Produkttest

    Apple Vision Pro im Test: magisch, aber einsam

    von Samuel Buchmann

René, ist dir die reale Welt noch spannend genug?
René Vogel: Ja. Die Vision Pro ersetzt die Realität nicht. Insbesondere die Interaktion mit anderen Personen. In gewisser Hinsicht ist die Brille im jetzigen Zustand ein egoistisches Produkt. Sie ist für die Anwendung alleine gedacht.

Fühlst du dich isoliert, wenn du die Vision Pro trägst?
Ein wenig. Ich kann niemandem «schnell zeigen», was ich gerade sehe. Ausserdem ist sie gesellschaftlich noch nicht akzeptiert, weil sie so neu ist. Das führt zu Unsicherheiten. Ich selber sehe meine Umwelt durch die Vision Pro gut und kann problemlos ein Gespräch führen. Aber das weiss mein Gegenüber nicht. Auf dem Rückflug aus New York habe ich die Brille deshalb aus Respekt abgesetzt, wenn das Flugpersonal kam.

Wenn René die Brille aufsetzt und ich direkt vor ihm sitze, sehe ich auf dem Aussendisplay eine Projektion seiner Augen. Das sieht allerdings unheimlich aus und die Qualität ist schlecht.
Wenn René die Brille aufsetzt und ich direkt vor ihm sitze, sehe ich auf dem Aussendisplay eine Projektion seiner Augen. Das sieht allerdings unheimlich aus und die Qualität ist schlecht.
Quelle: David Lee

In anderen Situationen wird die Vision Pro aber auch soziale Verbindungen erleichtern. Mit SharePlay könnte ich zum Beispiel mit jemandem am anderen Ende der Welt synchron einen Film schauen und die Person per FaceTime in mein Wohnzimmer holen.

Wie reagieren andere Leute, wenn sie dich mit aufgesetzter Brille sehen?
Neugierig. Meine Kinder wollen sie ständig ausprobieren. Sie haben die Bedienung schnell begriffen. Ich habe die Brille bisher nur im Flugzeug und zuhause getragen. Ginge ich damit einkaufen, würden die Leute wohl denken, ich spinne.

Ginge ich damit einkaufen, würden die Leute wohl denken, ich spinne.

Warum wolltest du unbedingt zu den ersten Besitzern der Vision Pro gehören?
Ich war unglaublich gespannt auf das Erlebnis. Mir gefällt das Konzept, stufenlos zwischen physischer und virtueller Realität wechseln zu können. Bis die Brille in der Schweiz erhältlich ist, wird es noch viele Monate dauern. So lange wollte ich nicht warten. Und ich bin generell ein Freak: Schon bei den Verkaufsstarts von iPhone und iPad bin ich dafür in die USA geflogen.

Wie war die Stimmung beim Launch Day der Vision Pro im Vergleich?
Ganz anders. Beim iPhone haben die Leute vor dem Apple Store campiert. Bei der Vision Pro war ich kurz vor 7 Uhr erst der fünfte Kunde vor der Filiale im Grand Central. Die Stimmung war super. Bis der Store aufging, wurde die Schlange noch etwas länger. Um 8 Uhr hatte ich schliesslich schon das erste Mal die Vision Pro auf dem Kopf.

Die Angestellten nehmen sich viel Zeit. Sie suchen die passenden Polster raus, damit die Brille gut sitzt und geben eine erste Einführung in die Bedienung. Das dauerte bei mir insgesamt eine halbe Stunde. Ganz ohne Hektik.

Renés Begeisterung für das neue Gadget wirkt ansteckend. Ich selber bin nach ein paar Stunden in der Vision Pro noch hin- und hergerissen zwischen Faszination und konzeptionellen Nachteilen eines Gesichtscomputers.
Renés Begeisterung für das neue Gadget wirkt ansteckend. Ich selber bin nach ein paar Stunden in der Vision Pro noch hin- und hergerissen zwischen Faszination und konzeptionellen Nachteilen eines Gesichtscomputers.
Quelle: David Lee

Böse Zungen würden dich als Apple-Kultisten bezeichnen. Fühlst du dich als solcher?
Nein. Ich finde die Produkte aus für mich rationalen Gründen gut. Mein Einstieg in die Computerwelt war vor vielen Jahren als Servicetechniker der Noser Systeme AG in Winterthur – ein Apple-Händler. Über die Jahre hatte ich beruflich auch viel mit Windows-Geräten zu tun und heute habe ich neben meinem iPhone auch ein Android-Handy. Meine Erfahrung über die Jahre hinweg: Bei Apple brauche ich einfach weniger Zeit, um Dinge zu beheben, die nicht so funktionieren, wie ich es will.

Apple kombiniert mit der Vision Pro vorhandene Ideen richtig.

Apple erfindet zwar meist nichts völlig Neues, kombiniert aber vorhandene Ideen für mich richtig. Das ist auch bei der Vision Pro so. Die Produkte kosten mehr und sind dafür solide. Hinzu kommt der hervorragende Support, wenn doch mal etwas nicht funktioniert.

Erfüllt die Brille bis jetzt deine Erwartungen?
Voll und ganz. Ich habe bisher etwa 15 Stunden darin verbracht und würde sie nicht mehr hergeben. Die Bedienung mit den Augen und Händen flasht mich immer noch. Ich finde sie unglaublich intuitiv. Überhaupt funktioniert alles auf Anhieb. Die Brille misst zum Beispiel automatisch den Augenabstand und stellt die Displays darauf ein. Ich muss mich nicht darum kümmern. Mir ist noch praktisch nichts Negatives aufgefallen. Nur einmal hätte ich in einem Dialog eine Escape-Taste gebraucht, die es nicht gibt.

Viele Leute finden den Preis viel zu hoch.
Keine Frage: Die Brille ist teuer und im Moment nur etwas für Freaks. Aber wenn ich überlege, wie viel zum Beispiel ein gutes Heimkino und ein guter Computermonitor kosten, finde ich den Preis der Vision Pro gerechtfertigt.

René sieht den grössten Alltagsnutzen der Vision Pro bisher in den Bereichen Entertainment und Produktivität.
René sieht den grössten Alltagsnutzen der Vision Pro bisher in den Bereichen Entertainment und Produktivität.
Quelle: David Lee

Wo wird sie bei dir im Alltag zum Einsatz kommen?
Gestern habe ich zum ersten Mal einen Film im virtuellen Kino geschaut. Das Erlebnis ist gewaltig. Ich kann mir auch vorstellen, die Vision Pro als externen Monitor zu benutzen. Besonders unterwegs habe ich so überall grosse Screens zur Verfügung – und muss nur Laptop und Brille mitnehmen.

Glaubst du, das Konzept von Virtual und Augmented Reality wird sich durchsetzen?
Es braucht sicher Zeit. Aber es gibt so viele Anwendungen, an die bisher gar niemand denkt. Virtuelle Wohnungsbesichtigungen, virtuelle Escape Rooms, virtuelle Guides im Kulturbereich. Die Zahl der Apps wird wachsen.

Augmented Reality bietet viele Chancen, zum Beispiel im Kulturbereich.

Ich habe lange in der Leitung des Schweizerischen Nationalmuseums gearbeitet. Die Vision Pro wäre die erste Brille, die gut genug wäre für ein Museumserlebnis in Augmented Reality. Echte Objekte würden gut genug wiedergegeben und könnten mit digitalen Inhalten angereichert werden. Ein anderer Ansatz sind komplett virtuelle Museumsbesuche für Personen, die das in der physischen Realität nicht mehr können.

In Zukunft sieht René grosses Potenzial für Augmented Reality. Er hat auch schon eigene Ideen.
In Zukunft sieht René grosses Potenzial für Augmented Reality. Er hat auch schon eigene Ideen.
Quelle: David Lee

Oder wie wäre es mit historischen Wanderwegen, auf denen man an definierten Stationen die Brille aufsetzt? Dann steht dort vielleicht keine Ruine mehr in der Landschaft, sondern das ursprüngliche Gebäude. Beim Umsetzen solcher Ideen wäre ich gerne an vorderster Front mit dabei.

Wir sehen uns in drei Jahren bei der virtuellen Schlacht am Morgarten. Bis dahin viel Spass mit der Vision Pro und danke für die Einblicke.

Titelbild: David Lee

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Mein Fingerabdruck verändert sich regelmässig so stark, dass mein MacBook ihn nicht mehr erkennt. Der Grund: Wenn ich nicht gerade vor einem Bildschirm oder hinter einer Kamera hänge, dann wahrscheinlich an meinen Fingerspitzen mitten in einer Felswand.


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